Erst glänzt er im Gewebe, und dann im Festgewand.
Sobald der Säugling grüßet das Licht, das ihn belebt,
Die Hülle ihn umfließet, von Spinnerhand gewebt.
Am Tag der höchsten Freude, am frohen Hochzeitstag,
Formt sich zum Feierkleide, was Spinnerhand vermag.
[...]
Der zarte Silberfaden rinnt emsig durch die Hand,
Wer weiß, ob er nicht dienet dereinst zum Trauerpfand.
Franz Kupelwieser, „Fierrabras“; 1. Akt, 1. Szene
So beginnt Franz Schuberts Oper „Fierrabras“ die bei den diesjährigen Salzburger Festspielen gezeigt wurde. Nicht nur eine Premiere im eigentlichen Sinn, sondern auch die erste Aufführung einer Schubert-Oper bei den Festspielen überhaupt.
Ein paar Wochen zuvor wurde ich von den Festspielen kontaktiert, ob ich nicht ein paar Damen des Staatsopernchores das Spinnen beibringen könne, da die Anfangsszene der Oper in einer Spinnstube angesiedelt ist. Ich sagte zu. Auch traf ich mich mit den Ausstattern der Oper, um mir bei den organisierten Spinnrädern die technischen Gegebenheiten anzusehen und zu zeigen, worauf es beim Betrieb eines Spinnrades ankommt. Da die Räder eher in den Bereich „Deko-Rad“ einzuordnen waren, einigten wir uns darauf, das Spinnen nur zu simulieren, da es ansonsten für die Damen viel zu mühsam gewesen wäre, gleichzeitig zu treten, zu spinnen und zu singen (und auf den Dirigenten zu achten). Ich zeigte ihnen also das richtige Treten sowie die Bewegungen der Hand beim Spinnen. Denn letztendlich ist doch alles nur Theater – und da spielt es keine Rolle, dass es zur Zeit Karl des Großen hierzulande noch nicht einmal Spinnräder gab (die kamen erst im 11. Jahrhundert über die Mauren [sic!] in den europäischen Raum).
Nachdem ich dann schon einer Probe beiwohnen durfte, hatte ich gestern noch die Gelegenheit, mich bei der letzten Vorstellung nochmals mit dem Stoff der Oper auseinanderzusetzen. Schon bei der Probe konnte ich mir ein innerliches Grinsen nicht verkneifen, und das verstärkte sich noch, nachdem ich einige der Kritiken gelesen hatte – ich sollte Opernkritikerin werden, denn die Argumente der einzelnen Blätter konnte ich mehr als gut nachvollziehen.
Drehpunkt Kultur spricht von „Vorsätzlichem Mord an einer Opern-Leiche“ durch Regisseur Peter Stein, orf.at titelt „In der Kapelle duselt das Gefühl“ und Die Presse unterstellt dem Regisseur gar den „Tatbestand unterlassener Hilfeleistung“. Die Kleine Zeitung nennt die Inszenierung der Oper stocksteifes, statisches Musiktheater aus der „Stein“-Zeit. Und de Kurier wünscht sich „die Monty-Python-Truppe, die das (langweiliges Steh- und lächerliches Säbel-Theater) wegfegt und Tempo sowie Witz reinbringt“. Die einzelnen Artikel bringen den Kern der Sache sehr gut zum Ausdruck. Natürlich ist bei Oper ein gewisses Overacting Teil des guten Tones, aber gerade dann, wenn die Tochter des Maurenfürsten am Turm den Ausfall ihres Geliebten beobachtet und anstatt „Oh Allah!“ lieber „Ihr Götter“ ruft, ists mit der Ernsthaftigkeit ganz vorbei. Und gäbe es die verzwickte Doppel-Love-Story nicht, dann könnte man immer noch auf die Bromance zwischen Roland und Fierrabras zurückgreifen.
Das Ensemble selbst ist gesanglich wunderbar, wenngleich hier und da einige Schwächen zu hören sind, die aber im Hintergrund bleiben.
So grafisch schön ich die Bühnenbilder finde, so anstrengend sind die stark vergrößerten Stiche nach einiger Zeit anzusehen und man muss darauf achten, nicht das große Flimmern vor den Augen zu bekommen. Die Kostüme der hehren Ritterschar haben mich allerdings von Anfang an an die Ritter der Kokosnuss erinnert. Gestrickte, mit Silberfarbe übertünchte „Kettenhemden“ denen man sogar noch in der 9. Reihe die kraus-rechten Reihen ansieht. Kartonartige Rüstungsteile ohne die geringsten Schrammen und Dellen des gerade stattgefundenen Kampfes. Stereotype Maurenkrieger mit grimmigen Gesichtern, Pluderhosen und Krummschwertern. Vielleicht bin ich durch diverse Emmy-gekrönte TV-Serien in dieser Hinsicht etwas anspruchsvoll, aber da ich die Werkstätten der Royal Shakespeare Company kenne weiss ich, dass es auch am Theater noch viele andere Möglichkeiten gibt.
Ein Bild der Spinnszene gibt es übrigens auf der Kulturseite des Tagesspiegels zu sehen und wer sich die Oper ansehen möchte, kann das am 4. Oktober auf 3sat nachholen.
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